Auf dieser Seite finden Sie eine Auflistung der Publikationen, die im Rahmen des EIDEC Projekts entstanden sind.
Köhler, S., Perry, J., Biernetzky, O.A., Kirste, T. & Teipel, S.J. (2024): Ethics, design, and implementation criteria of digital assistive technologies for people with dementia from a multiple stakeholder perspective: a qualitative study. BMC Med Ethics 25(84). DOI: 10.1186/s12910-024-01080-6
Abstract: Demenzerkrankungen beeinträchtigen die Fähigkeit von Menschen mit Demenz, selbständig und unabhängig zu sein. Sie benötigen Unterstützung durch Dritte, die idealerweise ihre Autonomie und Unabhängigkeit so weit wie möglich respektieren sollten. Die Betreuung von Menschen mit Demenz kann für die Pfleger sehr belastend sein, und die Zahl der Patienten steigt, während die Zahl der potenziellen Pfleger abnimmt. Digitale assistive Technologien (DATs), die Patienten oder ihre Betreuer direkt unterstützen, können dazu beitragen, die wachsende Kluft zwischen dem Bedarf an Unterstützung und den verfügbaren Ressourcen zu überbrücken. DATs haben das Potenzial, die Autonomie und Unabhängigkeit von Menschen mit Demenz zu erhalten und ihre Fähigkeiten zu fördern, wenn sie in enger Interaktion mit den zukünftigen Nutzern entwickelt werden. In unserer Studie konzentrierten wir uns auf ethische Bedenken, technologische Anforderungen und Implementierungskriterien für DAT im Allgemeinen und speziell zur Unterstützung der Mobilität von Menschen mit Demenz im Freien. Wir wendeten einen qualitativen Ansatz an und führten ein World Café (2 Tische, n = 7) und eine Online-Fokusgruppe (n = 6) mit Menschen mit Demenz, Angehörigen, medizinischem Fachpersonal, Wissenschaftlern, Ethikexperten und Experten für digital-unterstützte medizinische Versorgung durch. Wir haben die Daten mit Hilfe einer Inhaltsanalyse deskriptiv ausgewertet. Die Teilnehmer berichteten über technologische (z. B. fehlendes WLAN), finanzielle (z. B. teure Geräte oder fehlendes Budget für DATs), politische (z. B. rechtliche Hürden wie das europäische Medizinproduktegesetz oder Datenschutzbestimmungen) sowie nutzerbezogene Hürden (z. B. fehlende digitale Kompetenz) für die Einführung von DAT in der Demenzpflege. Zu den diskutierten Themen gehörten die Bedeutung von Autonomie, Unabhängigkeit, Sicherheit, Privatsphäre und Fragen der Entscheidungsfähigkeit bei der Verwendung von DAT. Die Teilnehmer identifizierten Möglichkeiten und Vorteile von selbstlernenden, situationsgerechten DATs und wünschten sich demenzfreundliche Gemeinschaften. Sie betonten den Wert der persönlichen Interaktion, die durch DAT nicht ersetzt, sondern vielmehr unterstützt werden sollte. Die Ergebnisse zeigten zahlreiche Hürden und ethische Bedenken für den Einsatz von DAT auf und gaben Empfehlungen für die Gestaltung und Umsetzung von DAT. Weitere Untersuchungen über die Auswirkungen von DAT auf persönliche Interaktionen in der Pflege und die Rolle von DAT in demenzfreundlichen Gemeinschaften sind erforderlich.
Buhr, E., Welsch, J. & Shaukat, M.S. (2024) Value preference profiles and ethical compliance quantification: a new approach for ethics by design in technology-assisted dementia care. AI & Soc. DOI: 10.1007/s00146-024-01947-7
Abstract: Überwachungs- und Unterstützungstechnologien (MATs) werden im Gesundheitswesen immer häufiger eingesetzt. Ein zentrales ethisches Anliegen ist die Vereinbarkeit dieser Systeme mit den moralischen Präferenzen ihrer Nutzer – eine Frage, die insbesondere für partizipative Ansätze im Rahmen der Ethics-by-Design-Debatte relevant ist. Die Unfähigkeit der Nutzer, ihre Präferenzen mitzuteilen oder sich an Gestaltungsprozessen zu beteiligen, z. B. aufgrund von Demenz, stellt jedoch eine Hürde für partizipative Ethik-durch-Gestaltung-Ansätze dar. In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach, wie die Wertpräferenzen der Nutzer im Bereich der Demenzpflege in KI-basierte MATs integriert werden können. Zunächst stellen wir kurz verschiedene Ethics-by-Design-Ansätze vor und erläutern die Herausforderungen, denen sie in der Demenzpflege gegenüberstehen. Anschließend stellen wir einen neuartigen Ansatz zur Bewältigung dieser Herausforderungen vor. Durch eine qualitative Inhaltsanalyse von Interviews mit Demenzkranken und ihren pflegenden Angehörigen (n = 27) konnten wir mehrere idealtypische Wertepräferenzprofile identifizieren. Diese Profile haben wir dann in einer Computersimulation angewandt, bei der wir auch das Konzept der ethischen Compliance-Quantifizierung einführten, um die moralischen Präferenzen der Befragten für die Simulation zu skalieren. Abschließend diskutieren wir die Ergebnisse der Studie, die Vorteile des Einsatzes von Computersimulationen und die allgemeinen Grenzen der Studie, bevor wir Schlussfolgerungen für die weitere Forschung ziehen. Die Studie leistet einen Beitrag zur laufenden Debatte über partizipative Ethik durch Gestaltung, indem sie auf der Grundlage empirischer Daten idealtypische Wertpräferenzrahmen definiert, die zur Steuerung von MAT-Maßnahmen und deren Ergebnissen verwendet werden können. In Zukunft könnten MAT-Endnutzer mit Demenz und andere kommunikationsgestörte Personen in die Lage versetzt werden, ein Werteprofil zu wählen, das ihren moralischen Präferenzen am besten entspricht.
AboJabel, H., Welsch, J. & Schicktanz, S. (2024): Cross-cultural perspectives on intelligent assistive technology in dementia care: comparing Israeli and German experts’ attitudes. BMC Med Ethics, 25(15). DOI: 10.1186/s12910-024-01010-6
Abstract: Trotz der großen Vorteile intelligenter assistiver Technologien (IAT) für die Demenzpflege – z. B. die verbesserte Sicherheit und größere Unabhängigkeit von Menschen mit Demenz und ihren Betreuern – ist ihre praktische Anwendung noch begrenzt. Die sozialen und ethischen Fragen im Zusammenhang mit IAT in der Demenzpflege, die von Faktoren wie der Kultur geprägt sind, können diese Einschränkungen erklären. Die meisten Studien haben sich jedoch darauf konzentriert, diese Fragen nur in einem bestimmten kulturellen Umfeld zu untersuchen. Ziel dieser Studie war es daher, die Einstellungen israelischer und deutscher Demenzexperten zu IAT in der Demenzpflege zu erforschen und zu vergleichen, um so einen Beitrag zu einer kulturvergleichenden Perspektive zu leisten.
Es wurden halbstrukturierte Interviews mit 35 Experten (15 Israelis und 20 Deutsche) geführt, die in Schlüsselpositionen im Gesundheits- und Gemeindedienst für Menschen mit Demenz sowie in den Bereichen Demenz und IAT tätig sind (z.B. Informatik, Elektrotechnik/Biomedizintechnik, Ethik, Pflege und Gerontologie). Die Daten wurden mit Hilfe der thematischen Inhaltsanalyse ausgewertet. Israelische und deutsche Experten identifizierten die gleichen sozialen Beschleuniger bei der Entwicklung und Implementierung von IAT in der Demenzpflege (d.h. Veränderungen in der Familienstruktur und soziale Digitalisierung) und Vorteile der Einführung von IAT (z.B. Verbesserung der Sicherheit von Menschen mit Demenz und Erhöhung ihrer Unabhängigkeit). Allerdings gab es Unterschiede in der Bewertung der Hemmnisse/Risiken zwischen den beiden Gruppen. So wurden wirtschaftliche Erwägungen und die kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit Demenz von beiden Gruppen als Hemmnisse genannt, während israelische Experten zusätzlich Stigmatisierung und Altersdiskriminierung angaben. Während beide Gruppen darin übereinstimmten, dass IAT die zwischenmenschlichen Beziehungen beeinträchtigen könnte und dass die Technologie noch nicht zuverlässig genug ist, betonten die deutschen Experten Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre; im Gegensatz dazu gaben die israelischen Experten der Sicherheit Vorrang vor der Privatsphäre.Unsere Forschungsergebnisse erlauben es, relevante Ähnlichkeiten, aber auch wichtige Unterschiede zwischen den Perspektiven deutscher und israelischer Experten zu identifizieren. Damit wurde eine wichtige Grundlage für eine eingehendere Diskussion darüber geschaffen, wo, warum und wie eine kultursensible Technologieentwicklung erforderlich ist.
Raz, A., Minari, J., Schicktanz, S., Sharon, T., Werner-Felmayer, G. (2023) Eds.: Data-intensive medicine and healthcare: ethical and social implications in the era of artificial intelligence and automated decision-making. Frontiers Genetics, 14(1280344). DOI: 10.3389/fgene.2023.1280344
Abstract: Innovation und Praxis in der Medizin und Gesundheitsfürsorge beruhen zunehmend auf der Integration und Interpretation einer Vielzahl medizinischer (z. B. Genomik- oder andere Omics-Daten, Bildgebungsdaten) und anderer persönlicher Daten. Dieser Trend zur Datafizierung bietet ein erhebliches Potenzial für das Verständnis von Gesundheit und Krankheit, die Entwicklung personalisierter Behandlungen, die Verbesserung der Krankheitsprävention und eine effizientere Gesundheitsversorgung. In diesem Zusammenhang spielt die künstliche Intelligenz (KI) mit neuen Methoden wie maschinellem Lernen (ML) und Deep Learning (DL) eine immer wichtigere Rolle, z. B. bei der Entwicklung prädiktiver Risikoscores, der Phänotypisierung von Krebserkrankungen, der Diagnose seltener Krankheiten oder sogar der Entwicklung molekularer Arzneimittel. Zusätzlich zu diesen neuen Techniken werden in der Medizin und im Gesundheitswesen zunehmend algorithmisch gesteuerte, automatisierte Entscheidungsfindungs- (ADM) oder Entscheidungsunterstützungssysteme eingesetzt, z. B. Verfahren, die Entscheidungen an andere Stellen delegieren, die dann eine Aktion auf der Grundlage automatisch ausgeführter Entscheidungsmodelle durchführen. Die Wissenschaft zu ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen der KI in der datenintensiven Medizin und im Gesundheitswesen hat zahlreiche Streitpunkte aufgezeigt, darunter Transparenz und Erklärbarkeit, Privatsphäre und Datenschutz, Vertrauen, Voreingenommenheit und die Frage, wie KI die Beziehung zwischen Patient und Arzt beeinflussen und interdisziplinäre Expertenteams bei ihren Entscheidungen unterstützen könnte. Mit dem Ziel, diese Perspektive zu erweitern, konzentriert sich dieses Forschungsthema auf KI-Anwendungen mit oder ohne ADM in verschiedenen Bereichen der datenintensiven innovativen Medizin, wie Genomik, Onkologie, Intensivpflege, Altenpflege, Infektionsmanagement, Neurowissenschaften, Psychiatrie, Zuweisung von Pflege und Reproduktionsmedizin. Wir suchen Beiträge, die untersuchen, ob und wie ethische und gesellschaftliche Überlegungen Teil von KI und ADM sein können/sollen, z. B. durch die Berücksichtigung von Diversitätsfragen, der Bedeutung von Datafizierung und Automatisierung, der Beteiligung von Öffentlichkeit und Patienten, der Entwicklung deliberativer oder offener wissenschaftlicher Ansätze (wie offene Codes usw.) und durch die Gewährleistung von Interoperabilität zwischen vielen Entwicklern und Nutzern, wobei gleichzeitig Missbrauch, Hacking oder Manipulation vermieden werden sollen. Ein weiteres Ziel ist es, die ethischen Herausforderungen zu untersuchen, die sich aus der Ausweitung der ADM von der Diagnostik auf die Entscheidungsfindung bei der Behandlung ergeben, und zu untersuchen, wie die Kluft zwischen Diagnose und Behandlung überbrückt werden kann.
Schicktanz, S., Welsch, J., Schweda, M., Hein, A., Rieger, J.W., Kirste, T. (2023): AI-Assisted Ethics? Considerations of AI Simulation for the Ethical Assessment and Design of Assistive Technologies. Frontiers in Genetics,14(1039839). DOI: 10.3389/fgene.2023.1039839
Abstract: In den aktuellen ethischen Debatten über den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen wird KI auf dreierlei Weise als Technologieprodukt behandelt. Erstens werden die Risiken und der potenzielle Nutzen der derzeit entwickelten KI-gestützten Produkte anhand von ethischen Checklisten bewertet; zweitens werden ex ante Listen mit ethischen Werten vorgeschlagen, die als relevant für die Gestaltung und Entwicklung von assistierender Technologie angesehen werden, und drittens wird die KI-Technologie dazu angehalten, im Rahmen des Automatisierungsprozesses moralische Überlegungen anzustellen. Die Dominanz dieser drei Perspektiven im Diskurs wird durch eine kurze Zusammenfassung der Literatur aufgezeigt. Anschließend schlagen wir eine vierte Herangehensweise an KI vor, nämlich als methodologisches Werkzeug zur Unterstützung ethischer Reflexion. Wir stellen ein Konzept für eine KI-Simulation vor, das auf drei separaten Elementen beruht: 1) stochastische menschliche Verhaltensmodelle auf der Grundlage von Verhaltensdaten zur Simulation realistischer Umgebungen, 2) qualitative empirische Daten zu Wertaussagen in Bezug auf die interne Politik und 3) Visualisierungskomponenten, die helfen, die Auswirkungen von Änderungen dieser Variablen zu verstehen. Das Potenzial dieses Ansatzes besteht darin, ein interdisziplinäres Feld über zu erwartende ethische Herausforderungen oder ethische Kompromisse in konkreten Situationen zu informieren und damit eine Neubewertung von Design- und Implementierungsplänen anzustoßen. Dies kann insbesondere für Anwendungen nützlich sein, die sich mit äußerst komplexen Werten und Verhaltensweisen oder mit eingeschränkten Kommunikationsressourcen der Betroffenen befassen (z. B. bei der Pflege von Menschen mit Demenz oder bei der Pflege von Menschen mit kognitiven Einschränkungen). Die Simulation ersetzt nicht die ethische Reflexion, ermöglicht aber eine detaillierte, kontextsensitive Analyse während des Designprozesses und vor der Implementierung. Abschließend diskutieren wir die inhärent quantitativen Analysemethoden stochastischer Simulationen sowie das Potenzial für ethische Diskussionen und wie Simulationen mit KI traditionelle Formen von Gedankenexperimenten und zukunftsorientierter Technologiebewertung verbessern können.
Köhler, S., Görß, D., Kowe, A., Teipel, S. (2022): Matching values to technology: a value sensitive design approach to identify values and use cases of an assistive system for people with dementia in institutional care. Ethics and Information Technology, 24(3), 27. DOI: 10.1007/s10676-022-09656-9
Abstract: Die Zahl von Menschen mit Demenz nimmt weltweit zu. Gleichzeitig sind die Ressourcen von Familienangehörigen und professionellen Pflegekräften begrenzt. Unterstützenden Technologien sind ein vielversprechender Ansatz zur Entlastung der Pflegenden und zur Unterstützung von Menschen mit Demenz. Um den Nutzen und die Akzeptanz zu gewährleisten, sollten solche Technologien die Werte und Bedürfnisse der Nutzenden integrieren. Wir haben den Ansatz des werte-sensitiven Designs angewandt, um die Werte und Bedürfnisse der zukünftigen Nutzenden in Bezug auf unterstützende Technologien für Menschen mit Demenz in stationärer Pflege zu untersuchen. Auf der Grundlage halbstrukturierter Interviews mit Bewohnerinnen/Patientinnen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Angehörigen und Fachkräften des Gesundheitswesens (jeweils 10) haben wir 44 Werte ermittelt, die in 18 Kernwerten zusammengefasst sind. Aus diesen Kernwerten haben wir ein Wertenetzwerk erstellt, um die Wechselwirkung zwischen den Werten aufzuzeigen. Das Zentrum dieses Netzwerks bilden Fürsorge und Empathie als am stärksten interagierende Werte. Darüber ermittelten wir 36 Unterstützungsbedarfe, die sich auf die vier Handlungsfelder Aktivität, Betreuung, Management/Verwaltung und Pflege verteilen. Auf der Grundlage der Werte und Unterstützungsbedarfe haben wir mögliche Anwendungsfälle für unterstützende Technologien für jedes Handlungsfeld erstellt. Alle diese Anwendungsfälle sind bereits heute technologisch realisierbar, werden aber derzeit in der Praxis nicht eingesetzt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der Entwicklung wertebasierter Technologien, mit der nicht nur die technologische Machbarkeit, sondern auch die Akzeptanz und Implementierung von unterstützenden Technologien sichergestellt werden kann. Unsere Ergebnisse tragen dazu bei, Werte auszubalancieren und liefern konkrete Vorschläge, wie Ingenieurinnen und Designerinnen Werte in unterstützende Technologien integrieren können.
Buhr, E., Schweda, M. (2022): Technische Assistenzsysteme für Menschen mit Demenz: Zur ethischen Bedeutung von Beziehungen. In: Friedrich, Orsolya et al. (Hg.): Mensch-Maschine-Interaktion – Konzeptionelle, soziale und ethische Implikationen neuer Mensch-Technik-Verhältnisse. Paderborn: mentis, 284-301. DOI: 10.30965/9783969752609_022
Abstract: Angesichts des demographischen Wandels, der Veränderung traditioneller familialer Sorgestrukturen und des Fachkräftemangels in der professionellen Pflege wird verstärkt auf technische Lösungen gesetzt, um Menschen mit Demenz so lange wie möglich eine eigenständige Lebensführung zu ermöglichen und die anspruchsvolle und zeitaufwändige Betreuung und Pflege in fortgeschrittenen Stadien demenzieller Erkrankungen sicherzustellen.
Der Umgang mit Menschen mit Demenz aufgrund ihrer fortschreiten¬den kognitiven Beeinträchtigungen und ihrer entsprechend erhöhten Vulnerabilität mit spezifischen Anforderungen verbunden. Dabei wird stets die Bedeutung vertrauter Beziehungen für die Selbstbestimmung und das Wohlergehen der Betroffenen hervorgehoben. So soll sich professionelle Pflege von Menschen mit Demenz etwa in Beziehungen vollziehen, die allen Beteiligten Erfahrungen von Sicherheit, Erfüllung und Sinnstiftung ermöglichen. Der Einsatz technischer Assistenzsysteme kann tief in dieses grundlegende Netz von Sorgebeziehungen eingreifen und es auf unterschiedliche Weisen beeinflussen und verändern. So verbindet sich mit der Digitalisierung der Pflege einerseits vielfach die Erwartung, dass assistive Technologien zeitliche und personelle Kapazitäten für emotionale Zuwendung und soziale Interaktionen freisetzen und Sorgebeziehungen dadurch stärken könnten. Andererseits werden immer wieder auch Befürchtungen laut, dass menschliche Pflege und Begleitung im Zuge der Automatisierung kurzerhand durch technische Assistenz ersetzt werden könnten.
Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag der Frage nach, welche ethische Bedeutung der Einsatz technischer Assistenzsysteme mit Blick auf die für Menschen mit Demenz entscheidenden Sorge-beziehungen haben könnte. Dazu geben wir zunächst einen Überblick über das Spektrum an assistiven Technologien, die derzeit zur Unterstützung der selbständigen Lebensführung und pflegerischen Versorgung von Menschen mit Demenz entwickelt und zum Einsatz gebracht werden. Im Anschluss vergegenwärtigen wir die Bedeutung von Beziehungen für das Leben und die Pflege von Menschen mit Demenz und untersuchen, welche Auswirkungen der Einsatz technischer Assistenzsysteme in dieser Hinsicht entfalten kann. Dabei beziehen wir uns auf das in der Demenzpflege anerkannte „Senses-Framework“ nach Mike Nolan. Auf dieser Grundlage umreißen wir abschließend Anforderungen an einen Technikeinsatz in der Pflege von Menschen mit Demenz, der eine wertschätzende und anerkennende Beziehungsgestaltung zulassen, gewährleisten oder gar fördern kann. Dabei argumentieren wir, dass für die Knüpfung, Aufrechterhaltung und Kultivierung bedeutsamer Beziehungen in diesem Bereich insbesondere Vertrauen, relationale Privatheit und reziproke Sorge maßgeblich sind.
Buhr, E., Schweda, M. (2022): Der Wert des Privaten für Menschen mit Demenz. Ethik Med, 266(5), S. 7. DOI: 10.1007/s00481-022-00723-9 .
Abstract: Der Begriff der Privatheit markiert eine erstaunliche Leerstelle in der Diskussion um die Pflege von Menschen mit Demenz (MmD). Der sonst intensiv geführte pflegeethische Diskurs über Fragen der Privatheit scheint hier nahezu vollständig zu verstummen, so als verlören MmD im Verlauf ihrer Erkrankung jedes nachvollziehbare Interesse an einer Privatsphäre und verfügten über keinerlei privaten Bereich mehr, den man bei ihrer pflegerischen Versorgung beachten oder schützen müsste. Eine solche Vorstellung widerspricht allerdings nicht nur verbreiteten moralischen Intuitionen, sondern auch den Auffassungen und Bedürfnissen der Betroffenen selbst. Vor diesem Hintergrund gehen wir der Frage nach, inwieweit sich die Bedeutung von Privatheit für MmD ethisch verständlich und plausibel machen lässt. Zu diesem Zweck werden zunächst die Herkunft und die verschiedenen Bedeutungsdimensionen des Privatheitsbegriffs selbst umrissen, um anschließend seine Schwierigkeiten und Grenzen im Kontext demenzieller Erkrankungen aufzuzeigen. Wie sich dabei herausstellt, kann insbesondere der ausgeprägte Autonomiebezug vorherrschender liberaler Privatheitskonzepte ein erhebliches Hindernis für eine angemessene Konzeptualisierung der Bedeutung der Privatheit für MmD darstellen. Aus diesem Grund loten wir im Anschluss unterschiedliche Möglichkeiten aus, wie sich der „Wert des Privaten“ im Kontext demenzieller Erkrankungen auch losgelöst vom Recht auf individuelle Selbstbestimmung konzeptualisieren ließe. Während autonomiebasierte Konzepte von Privatheit in frühen Stadien noch tragen mögen, wird mit Blick auf den weiteren Krankheitsverlauf daher auch der Relevanz von erkennbaren persönlichen Präferenzen sowie objektiven Bedingungen von Würde und Wohlergehen nachgegangen. Auf diesem Weg lässt sich differenziert aufzeigen, inwiefern Privatheit auch für MmD von Bedeutung sein und im pflegerischen Umgang mit ihnen angemessen berücksichtigt werden kann.
Buhr, E., Welsch, J. (2022): Privacy-sensitive Empowerment. Towards an Integrated Concept for Technology Assisted Care for People with Dementia. In: Rubeis, G. et al. (Hg.): Digitalisierung der Pflege. Interdisziplinäre Perspektiven auf digitale Transformation in der pflegerischen Praxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 185-197. DOI: 10.14220/9783737014793.185
Abstract: Die demografische Alterung und die zunehmende Prävalenz kognitiver Störungen verschärfen den bereits bestehenden Pflegenotstand. Gleichzeitig werden stetige Fortschritte im Bereich der Digitalisierung und der Entwicklung von Überwachungssystemen, mobilitätsunterstützender Robotik und sogar sozialen Robotern gemacht, die in der Pflege von Menschen mit Demenz (MmD) eingesetzt werden sollen. Diese Geräte sind soziotechnische Systeme, die wir als co-intelligente Assistenzsysteme für die Demenzpflege (CIMADeC) bezeichnen, da sie auf Mensch-Maschine-Interaktionen beruhen. Der Einsatz der genannten Technologien in institutionellen und informellen Versorgungssettings wird häufig als Lösung für die aktuellen Herausforderungen der Demenzpflege dargestellt, da sie das Potenzial haben, ein unabhängiges Leben zu unterstützen, drohende Probleme und Krisen zu erkennen oder vorherzusagen, die Pflegekräfte zu entlasten und die Gesamtqualität und Kosteneffizienz der Demenzpflege zu erhöhen. Erste empirische und ethische Einschätzungen deuten jedoch auf eine grundlegende Ambivalenz hin. Für die Pflegenden können solche Systeme eine Unterstützung in ihrer Arbeit bedeuten, aber auch ihre (manchmal ohnehin schon prekären) Arbeitsbedingungen bedrohen. CIMADeC könnten MmD empowern, z.B. durch mehr Sicherheit und Unabhängigkeit, aber möglicherweise auch ihre Privatsphäre gefährden. CIMADeC bietet daher vielversprechende Ansatzpunkte, um Empowerment und Privatsphäre als normative Leitkonzepte in der Demenzpflege zu untersuchen. Ausgehend von der Annahme, dass mangelnde Klarheit auf der begrifflichen Ebene die konkrete Pflegesituation als einen nicht zuletzt kommunikativen Prozess zwischen den Beteiligten erschwert, werden wir die Konzepte von Empowerment und Privacy spezifizieren und Privacy-sensitive Empowerment (PSE) als integriertes ethisches Konzept für die technologiegestützte Pflege von Menschen mit Behinderung vorschlagen. Wir schlagen das integrative Konzept der PSE vor, um normative Konflikte zu reflektieren und eine ethische Orientierung für deren Lösung zu bieten. Um PSE als integratives ethisches Konzept einzuführen, werden wir in einem ersten Schritt Empowerment und Privatsphäre als relevante ethische Aspekte im Kontext von CIMADeC für Menschen mit Demenz entfalten. In einem nächsten Schritt stellen wir die möglichen normativen Konflikte zwischen ihnen dar. Schließlich stellen wir mit PSE einen empirisch-informierten Ansatz vor, der die Konzepte von Empowerment und Privatheit miteinander verbindet. Wir skizzieren einen empirisch fundierten ethischen Ansatz, um die gesamte Bandbreite praktischer und kontextspezifischer Aspekte von Empowerment und Privatheit in CIMADeC zu untersuchen. Unser Ansatz bietet erstens einen Rahmen für die ethische Reflexion über Konflikte zwischen Autonomie und Privatsphäre. Zweitens bietet er eine hilfreiche ethische Orientierung für die Praxis der Pflege, wenn die Forderungen nach mehr Selbstbestimmung und gelebter Privatheit in Konflikt geraten.
Arbeitspapier zum Download Arbeitspapier der Stakeholder-Konferenz zu Digitalen Assistenzsystemen für Menschen mit Demenz, pflegende Angehörige und Pflegekräfte im Rahmen des EIDEC-Projektes am 31.03.2022. Arbeitspapier zum Download.
Abstract: Das interdisziplinäre Konsortium des EIDEC-Projekts untersucht soziale und ethische Aspekte des Einsatzes von intelligenten Überwachungs- und Assistenzsystemen (MAS) in der häuslichen und stationären Demenzpflege. Ziel des Projekts ist es, Werte und Akzeptanzkriterien beim Einsatz von MAS zu identifizieren, Konflikte zu reflektieren und den Einsatz von MAS in der Pflegepraxis zu erleichtern. Im Rahmen des Teilprojekts (TP) 1 „Wertesensible und affektbewusste Gestaltung“ wurde am 31. März 2022 in Rostock eine Stakeholder-Konferenz zum Thema „Digitale Assistenzsysteme für Menschen mit Demenz, pflegende Angehörige und Pflegende“ mit lokalen Akteuren der Demenzversorgung durchgeführt. Die Konferenz wurde in einem World-Café-Format abgehalten.
Welsch, J.(2022): Empowerment and Technology. An ethical-empirical exploration of technology-assisted dementia care [Poster]
Löbe, C., Abo Jabel, H. (2022): Empowering people with dementia via using intelligent assistive technology: A scoping review. Archives of Gerontology and Geriatrics, 101(104699). DOI: 10.1016/j.archger.2022.104699
Abstract: Zielsetzungen: In den letzten zehn Jahren wurde die Idee gefördert, dass intelligente assistive Technologien (IAT) Menschen mit Demenz unterstützen können. Da es sich um ein neues Forschungsgebiet handelt, sind das Konzept des Empowerments und die Auswirkungen von IAT in diesem Zusammenhang jedoch noch unklar. Daher haben wir eine Übersichtsstudie durchgeführt, um die Konzeptualisierung und Messung von Empowerment zu untersuchen und die Auswirkungen von IAT auf die Befähigung von Menschen mit Demenz in den vorhandenen Studien zu verstehen.
Aufbau: Es wurde eine Übersichtsarbeit in Übereinstimmung mit den PRISMA-Richtlinien (Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses) unter Verwendung der folgenden Datenbanken durchgeführt: Pubmed, Cochrane Library, Web of Science und Science Direct. Darüber hinaus wurde eine manuelle Suche in Google Scholar durchgeführt, um weitere Artikel zu finden.
Ergebnisse: Insgesamt 28 Artikel, die das Empowerment von Menschen mit Demenz durch IAT untersuchten, erfüllten die Einschlusskriterien. Die meisten hatten ein Querschnitts- (43 %) oder Interventions-/Experimental-Design (39 %). Etwas mehr als die Hälfte (54 %) waren qualitative Studien. In den eingeschlossenen Studien wurden Inkonsistenzen bei der Konzeptualisierung und Messung des Empowerment-Konzepts festgestellt, so dass die genaue Rolle von IAT in diesem Zusammenhang etwas unklar bleibt. Die meisten Studien deuten jedoch darauf hin, dass IAT Menschen mit leichter/mittlerer Demenz stärken kann, indem es ihre Fähigkeit verbessert, länger unabhängig und mit Privatsphäre zu leben.
Schlussfolgerungen: Künftige Forschungsarbeiten sollten sich auf die Entwicklung einer klaren Definition des Konzepts der Befähigung sowie auf die Entwicklung eines zuverlässigen und gültigen Instruments zu seiner Messung konzentrieren.
Schicktanz, S., Schweda, M. (2021): Aging 4.0? Rethinking the ethical framing of technology‐assisted eldercare. History and Philosophy of the Life Sciences, 43(93). DOI: 10.1007/s40656-021-00447-x
Abstract: Technologische Ansätze werden zunehmend als Lösung für die Unterstützung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens sowie bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung älterer Menschen diskutiert. Die Entwicklung und Implementierung solcher assistiven Technologien für die Altenpflege wirft vielfältige ethische, rechtliche und soziale Fragen auf.Die Diskussion dieser Fragen wird durch theoretische Perspektiven und Ansätze aus der Medizin- und Pflegeethik beeinflusst, insbesondere durch den prinzipienorientierten Rahmen von Autonomie, Non-Maleficence, Beneficence und Gerechtigkeit. Der vorliegende Beitrag knüpft an die bisherige Kritik an und nimmt diese Prinzipien als Ausgangspunkt und Bezugsrahmen, um sie kritisch zu hinterfragen. Es soll daher aufgezeigt werden, wie bestehende ethische Rahmenwerke erweitert oder überdacht werden müssen, um die ethischen Fragen zu erfassen, die sich durch die technologischen Entwicklungen in der Altenpflege stellen. In einem ersten Schritt geben wir einen kurzen Überblick über unterstützende Technologien in der Altenpflege nach ihren Zwecken und Funktionen. Im nächsten Schritt erörtern wir, wie die Fragen und Probleme, die durch neue Technologien in der Altenpflege aufgeworfen werden, eine Erweiterung, Neuinterpretation und Überarbeitung des prinzipienorientierten Rahmens erfordern. Wir betonen, dass die Einbeziehung ethischer Perspektiven aus den Ingenieurwissenschaften und der Informatik sowie eine stärkere Berücksichtigung sozio-politischer Dimensionen und grundlegender anthropologischer und praxeologischer Fragen erforderlich sind.
Schweda, M., Schicktanz, S. (2021): Ethische Aspekte co-intelligenter Assistenztechnologien in der Versorgung von Menschen mit Demenz. Psychiatrische Praxis, 48(01). 37–41. DOI: 10.1055/a-1369-3178
Abstract: Intelligente technische Assistenzsysteme werden zunehmend als Lösung für die Versorgung von Menschen mit Demenz diskutiert. Der Beitrag betrachtet zentrale ethische Herausforderungen des Einsatzes derartiger Assistenzsysteme. Dabei konzentriert er sich auf Fragen der Privatheit und des Empowerments.
Shaukat, M. S., Põder, J.-C., Bader, S., & Kirste, T. (2021). Towards Measuring Ethicality of an Intelligent Assistive System. Proc. 1st AITHICS workshop (Artificial Intelligence and Ethics) held at 44th German Conference on Artificial Intelligence (KI-2021). DOI: 10.48550/ARXIV.2303.03929
Abstract: Auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Assistenzsysteme, so genannte intelligente assistive Technologien (IAT), werden zunehmend allgegenwärtig. IAT können zur Steigerung von Lebensqualität beitragen, indem sie auf der Grundlage der bereitgestellten Daten intelligente Hilfe leisten. Einige Beispiele für solche IATs sind selbstfahrende Autos, Roboterassistenten und Lösungen im Bereich „Smart Health“. Das Vorhandensein solcher autonomen Einheiten stellt die an der Nutzung dieser Systeme beteiligten Akteure jedoch vor ethische Herausforderungen. Zudem gibt es eine Forschungslücke in der Analyse, wie solche IAT die vorgesehenen ethischen Vorschriften einhalten, da eine solche Analyse mit ethischen, logistischen und finanziellen Herausforderungen verbunden ist. Vor dem Hintergrund dieser Problemstellung stellen wir eine Methode zur Messung der „Ethizität“ eines Assistenzsystems vor. Um diese Aufgabe zu erfüllen, haben wir unser Simulationswerkzeug eingesetzt, das sich auf die Modellierung der Navigation und Unterstützung von Menschen mit Demenz (MmD) in Innenräumen konzentriert. Mit Hilfe dieses Tools analysieren wir, wie gut verschiedene Assistenzstrategien die vorgegebenen ethischen Regeln der Stakeholder, wie Autonomie, Gerechtigkeit und Nutzen, einhalten.
Shaukat, M. S., Hiller, B. C., Bader, S., & Kirste, T. (2021). SimDem: A Multi-agent Simulation Environment to Model Persons with Dementia and their Assistance. 4th International Workshop on AI for Aging, Rehabilitation and Independent Assisted Living held at IJCAI 2021. http://arxiv.org/abs/2107.05346
Abstract: Die Entwicklung von auf künstlicher Intelligenz basierenden Assistenzsystemen zur Unterstützung von Menschen mit Demenz (MmD) erfordert große Mengen von Trainingsdaten. Die Datenerfassung wirft jedoch ethische, rechtliche, wirtschaftliche und logistische Probleme auf. Tools zur Generierung synthetischer Daten stellen in dieser Hinsicht eine mögliche Lösung dar. Wir sind jedoch der Meinung, dass die bereits verfügbaren Tools kognitive Defizite in der Verhaltenssimulation nicht angemessen abbilden können. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, schlagen wir ein Simulationsmodell (SimDem) vor, das sich in erster Linie auf die kognitiven Beeinträchtigungen von MmD konzentriert und von den Benutzenden leicht konfiguriert und angepasst werden kann, um Hilfslösungen zu modellieren und zu bewerten.
Krohm, S. (2021): ‚Female‘ Care and ‚Male‘ Technology? Pflege und technische Assistenzsysteme aus Sicht beruflich Pflegender – Eine explorative qualitative Interviewstudie. Poster zum Download
Abstract: Ziel der Arbeit war eine explorative Untersuchung der Sicht von beruflich Pflegenden auf Pflege und technische Assistenzsysteme für Menschen mit Demenz mit einem Fokus auf die Relevanz von Geschlecht und Geschlechterstereotypen. Dazu wurden 21 leitfadengestützte Expert*inneninterviews mit beruflich Pflegenden geführt, die mit Hilfe einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Ergebnisse: Geschlechterstereotype und das Thema Geschlecht werden von den befragten Pflegenden vor allem im Zusammenhang mit Technikinteresse und -kompetenzen zur Sprache gebracht, aber auch im Kontext von Intimpflege, äußerem Erscheinungsbild und physischer Stärke. Latent spielt Geschlecht zudem im Zusammenhang mit den Idealen guter Pflege eine Rolle. So sind diese oft mit der Betonung von Empathie, Kommunikation und der Komponente der Gefühlsarbeit verknüpft, die zugleich besonders Frauen stereotyp zugeschrieben werden. Pflegekräfte betonen hier vor allem soziale und emotionale Aspekte im Pflegehandeln. Weiterhin werden Kommunikation und Interaktion mit den Patient*innen und Bewohner*innen und Einsamkeit von Pflegebedürftigen, besonders im häuslichen Bereich, angesprochen. Für einige Pflegende steht dies im Konflikt mit dem Einsatz von gewissen assistiven Systemen, die diese sozio-emotionale Ebene von Pflege nicht ausführen könnten. Dem gegenüber steht der potenzielle Gewinn an Autonomie und Privatsphäre für Betroffene. Gerade im Hinblick auf den Umgang mit Technik sehen Pfleger*innen aber auch Alter und Generationszugehörigkeit als wichtige Einflussgrößen. Vor allem in der Interaktion von älteren pflegebedürftigen Personen mit physischen Robotern werden Überforderung und Ängste prognostiziert. Dies wird im Besonderen auf Generationszugehörigkeit bezogen, weshalb die Systeme erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten erfolgreich in der Praxis etabliert werden könnten, wenn die Generation der Digital Natives in das Alter einer Pflegebedürftigkeit käme. Der Einsatz von Technologien wie Ortungssystemen hingegen, die keiner komplexen Bedienung durch Betroffenen selbst erfordern bzw. kein pflegerisches Handeln am Menschen substituieren, wird durchweg recht positiv bewertet.
Schweda, M., Kirste, T., Hein, A., Teipel, S., Schicktanz, S. (2019): The emergence of co-intelligent monitoring and assistive technologies in dementia care – an outline of technological trends and ethical aspects. Bioethica Forum, 12 (1/2). 29–37. DOI: 10.24894/BF.2019.12008
Abstract: Dieser Beitrag befasst sich mit ethischen Aspekten von co-intelligenten Überwachungs- und Hilfstechnologien in der Demenzpflege (CIMADeC). Ziel ist es, einen Überblick über zentrale praktische Probleme und ethisch relevante Fragen zu geben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf zwei zentralen Themen bei der Entwicklung solcher Systeme für die vulnerable Gruppe der Menschen mit Demenz: Privacy und Empowerment. Wir geben zunächst einen Überblick über den Stand der Technologieentwicklung im Bereich CIMADeC. Auf dieser Grundlage wenden wir uns der ethischen Debatte über assistive Technologien im Kontext von Demenz zu, um ethische Aspekte und offene Fragen dieser neuen Form der Demenzversorgung herauszuarbeiten. Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Überblicks über ethische Fragen werden in der Analyse Probleme der Privatsphäre und der Befähigung näher beleuchtet. Die Diskussion unterstreicht die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Technik, Pflege und Ethik. Eine entscheidende Frage ist, wie die ethischen Belange der Nutzer und anderer Interessengruppen im Sinne einer partizipativen Technologieentwicklung berücksichtigt werden können.